Beschäftigte in der Baubranche erhalten Anspruch auf sechste Urlaubswoche nach 20 Arbeitsjahren

Nationalrat beschließt außerdem Entlastungspaket für bäuerliche Betriebe

Wien (PK) Ein gemeinsamer Gesetzesantrag der Koalitionsparteien und der SPÖ zur Novellierung des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes (BUAG) wurde heute vom Nationalrat mit breiter Mehrheit gebilligt. Ziel ist die Förderung von Ganzjahresbeschäftigungen in der Baubranche, in diesem Sinn ist eine Entlastung von Bauunternehmen, die MitarbeiterInnen während der Wintermonate bzw. in den Winterfeiertagen beschäftigten, vorgesehen. BauarbeiterInnen haben zudem künftig bereits nach 20 Arbeitsjahren Anspruch auf eine sechste Urlaubswoche.

Mehrheitlich genehmigt wurde ein von der Bundesregierung geschnürtes Entlastungspaket für bäuerliche Betriebe. Ein wesentlicher Teil davon sind Änderungen im Sozialversicherungsrecht, die heute mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und FPÖ den Nationalrat passierten. SPÖ und den NEOS bleiben bei ihrer bereits im Sozialausschuss geäußerten Kritik. Sie sind der Meinung, dass der von der Regierung gewählte Weg eine Ungleichbehandlung für andere Gruppen bedeutet.

BUAG-Novelle: Lob für funktionierende Sozialpartnerschaft

Die Neuerungen im Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG) bedeuten für Bauunternehmen, die ihre MitarbeiterInnen auch während der Winterfeiertage beschäftigen, dass sie in Hinkunft einen deutlich höheren Teil der Lohnnebenkosten als bisher refundiert bekommen.

Die Gesetzesänderung zeige, wie wichtig eine funktionierende Sozialpartnerschaft sei, sagte Laurenz Pöttinger (ÖVP). Im Gegenzug zur Beschäftigung in den Wintermonaten werde der von den Unternehmen zu leistende Zuschlag zur Finanzierung der Winterfeiertagsregelung erhöht. Außerdem werden die Zuschläge zur Finanzierung des Überbrückungsgeldes – eine Art frühzeitige Pension für BauarbeiterInnen – jahreszeitlich gestaffelt. Demnach sinkt der einschlägige Zuschlagsfaktor für die Monate Jänner bis März und Dezember von 1,5 auf 0,4, ohne dass dadurch die Finanzierung dieser Leistung gefährdet wäre, wie in den Erläuterungen zum Gesetzesantrag festgehalten wird. Für BauarbeiterInnen wird es künftig bereits nach 20 Arbeitsjahren (1.040 Anwartschaftswochen) statt wie bisher nach 22 Jahren (1.150 Wochen) Anspruch auf eine sechste Urlaubswoche geben. Die Maßnahmen seien insgesamt kostenneutral, betonte Pöttinger. Da die Baubranche besondere Bedingungen habe, sei die Regelung seiner Ansicht nach nicht auf andere Branchen umlegbar. Pöttinger merkte an, dass es derzeit wesentlich mehr offene Arbeitsplätze als die rund 60.000 beim AMS gemeldeten Stellen gebe.

Die Regelung ziele auf das Problem der Winterarbeitslosigkeit in der Baubranche ab, sagte Josef Muchitsch (SPÖ). Deshalb solle es sich für die Bauunternehmen nicht mehr auszahlen, ihre MitarbeiterInnen vor dem 24. Dezember abzumelden und damit über den Winter „beim AMS zu parken“. Die Verhandlung des Gesamtpakets sei nicht leicht gewesen, er freue sich, dass sie nun zu einem guten Abschluss gekommen seien. Leider sei derzeit trotz guter Witterung die Arbeitslosigkeit in der Baubranche sehr hoch und Unterstützung notwendig, sagte Muchitsch. Er brachte dazu einen umfassenden Abänderungsantrag von ÖVP, SPÖ und Grünen ein, der Entlastungen für Arbeitslose in der Bauwirtschaft bringen soll. Damit werde Arbeitnehmerinnen, die sich noch im System „Abfertigung Alt“ befinden und die durch die Corona-Krise ihre Beschäftigung in der Bauwirtschaft verloren haben, die Möglichkeit eröffnet, einen Antrag auf vorzeitige Auszahlung des gegenüber der BUAK bestehenden Anspruchs auf „Abfertigung-Alt“ zu stellen, erläuterte Muchitsch.

Zustimmend zu der Novelle äußerte sich auch FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. Aus ihrer Sicht habe die Regelung auch Vorbildwirkung für andere Branchen, etwa den Tourismus, wo schon seit längerer Zeit über eine so genannte „Saisonverlängerung“ diskutiert werde. Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit im Baubereich sei ihrer Wahrnehmung nach auch darauf zurückzuführen, dass in Österreich viele Arbeiter aus anderen EU-Ländern beschäftigt seien, die in ihren Herkunftsländern fehlen würden. Daher sei es an der Zeit, die Freizügigkeitsregelung der EU zu überdenken, sagte Belakowitsch.

Solidaritätsbeitrag von bäuerlichen PensionsbezieherInnen wird gestrichen, das „fiktive Ausgedinge“ reduziert

Die Regierung hat zur Abfederung der Auswirkungen der Corona-Krise zuletzt auch vereinbart, bäuerliche Betriebe nachhaltig zu entlasten. Dazu gehören insbesondere auch Änderungen im Sozialversicherungsrecht, die heute mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und FPÖ den Nationalrat passierten. Das Maßnahmenbündel soll rückwirkend mit Anfang Jänner in Kraft treten und wird das Budget des Bundes bzw. die Sozialversicherung mit insgesamt rund 27 Mio. € jährlich belasten.

Konkret sehen die Novelle zum Bauern-Sozialversicherungsgesetz (BSVG) und begleitende Änderungen im ASVG und im GSVG vor, den im Bereich des BSVG-Pensionsrechts geltenden Solidaritätsbeitrag in der Höhe von 0,5% ersatzlos zu streichen. Das heißt, dass alle Pensionen und Pensionssonderzahlungen künftig abzugsfrei zur Auszahlung gelangen. Zudem wird das so genannte „fiktive Ausgedinge“ Pensionen in Hinkunft in einem geringeren Umfang als bisher schmälern, da nur noch 10% statt 13% auf die Pensionsleistung angerechnet werden. Die Mindestbeitragsgrundlage im Bereich der Krankenversicherung wird – analog zum ASVG und zum GSVG – auf 446,81 € gesenkt. Bisher lag sie bei 824,51 € für Einheitswertbetriebe und 1.549,35 € für so genannte „Optionsbetriebe“ ohne steuerliches Einkommen. Auch der SV-Beitragszuschlag von 3% für Optionsbetriebe entfällt.

Verbesserungen gibt es darüber hinaus für Kinder von LandwirtInnen, die hauptberuflich am Hof mitarbeiten. Ihre Pensionsbeitragsgrundlage wird bis zum 27. Lebensjahr von einem Drittel auf die Hälfte der Beitragsgrundlage des Betriebsführers bzw. der Betriebsführerin erhöht, wobei der Bund die anfallenden Mehrkosten für die öffentliche Hand zur Gänze übernimmt. Die längeren Durchrechnungszeiten des Pensionskontos hätten dazu geführt, dass mitarbeitende Kinder mit einer niedrigeren Pension rechnen müssten, zumal viele Höfe erst nach dem 30. Lebensjahr übernommen würden, wird dieser Schritt begründet.

Als größten Kostenbrocken weisen die finanziellen Erläuterungen die Streichung des Solidaritätsbeitrags mit rund 10,6 Mio. € sowie die Senkung des fiktiven Ausgedinges mit rund 9 Mio. € (Werte jeweils für 2020) aus. Die Senkung der Mindestbeitragsgrundlage bei der Krankenversicherung wird zu jährlichen Mindereinnahmen von rund 6,6 Mio. € führen.

Die Kritik der SPÖ an den Änderungen müsse in einem größeren Kontext gesehen werden, sagte SPÖ- Abgeordneter Markus Vogl. In der Landwirtschaft sinke der Eigenfinanzierungsgrad der Pensionen seit Jahren ab. Statt dieses offensichtliche Problem zu beheben, zahle der Bund aber automatisch immer mehr zu. Angesichts einer intransparenten Einkommenssituation in der Landwirtschaft sei zudem schwer zu sagen, ob das fiktive Ausgedinge richtig angesetzt sei und wie gerecht das System noch sei. Vogl stellte den Antrag, das Gesetz an den Sozialausschuss zurückzuverweisen, fand dafür aber keine Mehrheit.

Er anerkenne, was Bäuerinnen und Bauern leisten, sagte Christian Drobits (SPÖ). Mit diesem Gesetz spiele die Regierung sie aber gegen andere Gruppen aus, die Hilfe genauso nötig hätten. Statt an der Harmonisierung der Pensionssysteme zu arbeiten, spalte man die verschiedenen Berufsgruppen und die Gesellschaft noch weiter. Das sei das Problem, das die SozialdemokratInnen aufzeigen wollten, sagte Drobits.      

Viele bäuerlichen PensionistInnen aus Klein- und Mittelbetrieben hätten lange Beitragsjahre, aber oft sehr niedrige Pensionen, oft unter der Mindestpension, sagte Bettina Zopf (ÖVP). Ein wesentlicher Faktor dabei sei das fiktive Ausgedinge, das von der Pension abgezogen wurde. Die Abschaffung des Solidaritätsbeitrags bedeute faktisch eine Gleichstellung mit anderen Berufsgruppen. Den Vorwurf der Klientelpolitik wies Zopf vehement zurück. Hier gehe es um eine Gruppe, die außerordentlich viel für dieses Land leiste, weshalb es sie sehr enttäuscht, dass SPÖ und NEOS Politik auf dem Rücken von MindestpensionstInnen betreiben wollen. In diesem Sinne argumentierte auch Josef Hechenberger (ÖVP). Beschlossen werde keine Pensionserhöhung, sondern nur eine Verringerung von bisher geltenden Pensionskürzungen.       

Nur ein Fünftel der bäuerlichen PensionistInnen gehöre zu der Gruppe der BezieherInnen geringer Pensionen, mit den meisten Änderungen würden vor allem große Betriebe gefördert, betonte Gerald Loacker (NEOS). Daher treffe die Argumentation der ÖVP nur teilweise zu. Das grundlegende Problem bestehe darin, dass LandwirtInnen sehr geringe Pensionsbeiträge zahlen, was notwendigerweise zu niedrigen Pensionen führe. Statt dieses Grundproblem zu beheben, werde eine Reihe von unfairen Bevorzugungen von Teilgruppen geschaffen.

Die Hilfe für LandwirtInnen sei längst überfällig und gehe noch nicht einmal weit genug, sagte Michael Schnedlitz (FPÖ). Die Bäuerinnen und Bauern würden einen großen Mehrwert für dieses Land erwirtschaften, der ihnen nur zu einem geringen Teil zugutekomme. Zu bedenken sei auch, dass bäuerliche PensionistInnen meist weiterarbeiten, so lange sie können, um den Hof zu erhalten. Die Entlastung für die Landwirtschaft sei bereits vor einem Jahr beschlossen, aber nicht umgesetzt worden, führte Peter Schmiedlechner (FPÖ) die Argumente seiner Fraktion weiter. Hier handle es sich um überfällige Maßnahmen, die man nicht als COVID-19-Maßnahme verkaufen solle, wie es die ÖVP versuche. Das fiktive Ausgedinge sei ein Relikt der Vergangenheit, sagte Schmiedlechner. Er forderte in einem Entschließungsantrag, der von der Mehrheit des Plenums aber nicht angenommen wurde, dessen gänzliche Abschaffung.    

Das Paket, das hier geschnürt worden sei, solle schlichtweg das Überleben kleiner bäuerlicher Betriebe ermöglichen, sagte Clemens Stammler (Grüne). Die Debatte, die von der SPÖ angezettelt werde, sei aus seiner Sicht einfach nur enttäuschend und gehe an der Lebensrealität der Bäuerinnen und Bauern völlig vorbei.

Sozialminister Rudolf Anschober betonte, dass Politik nicht auf „Neidgenossenschaft“ aufbauen dürfe. In der gegenwärtigen Pandemie-Krise habe Österreich ein Comeback der Solidarität erlebt. Diese sollte weiterhin das gesellschaftliche und politische Handeln bestimmen. Angesichts der Lebensverhältnisse, die es im ländlichen Raum teilweise noch gebe, seien die nun gesetzten Maßnahmen unbedingt notwendig. Allen Menschen in schwierigen Lebenssituationen müsse geholfen werden. Die Frage der Gerechtigkeit des Pensionssystems müsse zweifellos weitergeführt werden. Das bedeute aber nicht, dass man deshalb nicht einzelne Verbesserungsschritte setzen dürfe. Wenn es um gerechte Entlohnung für LandwirtInnen gehe, so sehe er zwei große Problemfelder, sagte Anschober. Das sei zum einen die Verteilung der EU-Förderungen, zum anderen die Frage der Preise, die heute am Markt für hochwertige landwirtschaftliche Produkte gezahlt werden. Sozialpolitik könne nicht mehr über niedrige Lebensmittelpreise betrieben werden, sagte der Sozialminister, sie müsse anders erfolgen. (Fortsetzung Nationalrat) sox

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