WIFO: Tourismusanalyse Sommersaison 2020 und Ausblick Wintersaison 2020/21

Rund ein Drittel weniger Nachfrage von Mai bis Oktober, Einbruch von 70% der Nächtigungen im Winter zu erwarten

Wien (OTS) War die Vorsaison im Mai und Juni noch vom ersten Lockdown und weitreichenden Reisebeschränkungen geprägt (Gästeankünfte ‑73,7%, Übernachtungen ‑70,0%), entspannte sich die Lage von Juli bis September deutlich (Ankünfte ‑24,2%, Nächtigungen ‑13,7%), bevor der Tourismus in Österreich infolge gestiegener Infektionszahlen und neuerlicher Reisewarnungen auf wichtigen Quellmärkten im Oktober wieder stärkere Rückgänge verzeichnete (mit ‑57,5% bei Ankünften und ‑49,2% bei Übernachtungen). Für den gesamten Sommer 2020 ergaben sich daraus erhebliche Einbußen in der mengenmäßigen wie monetären Nachfrage (Ankünfte ‑42,6%, Nächtigungen ‑31,8%, Einnahmen: nominell ‑30,5%, real ‑31,8%).

Im Durchschnitt der Monate Mai bis Oktober 2020 ging die Nachfrage Binnenreisender wesentlich moderater zurück als jene von internationalen Gästen (Ankünfte ‑14,9% zu ‑56,1%, Übernachtungen ‑4,7% zu ‑43,2%; Hochrechnung). Hier wirkte vor allem die positive Dynamik der wichtigen Monate Juli bis September stabilisierend (73,2% der Saisonnächtigungen von inländischen Reisenden (2019: 58,8%); Ankünfte +9,9%, Nächtigungen +18,5%), während ein beträchtlicher Teil der ausländischen Gäste COVID-19-bedingt die gesamte Saison über ausblieb. Vor allem der Städtetourismus in Wien wurde durch die hohe Abhängigkeit von internationalen Märkten und den Einschränkungen im Flugverkehr besonders stark in Mitleidenschaft gezogen – die Sommernächtigungen schrumpften hier um insgesamt 80,9%. Die negative Entwicklung in der Bundeshauptstadt strahlte durch die Absage von Großveranstaltungen auch auf das benachbarte Niederösterreich aus (Nächtigungen insgesamt ‑36,1%, ausländische Gäste ‑60,5%), Bundesländer mit Seen und Aktivsportangeboten sowie einem dominierendem Anteil Binnenreisender bilanzierten dagegen mit wesentlich geringeren Verlusten (Kärnten ‑11,0%, Burgenland ‑12,6%, Steiermark ‑13,3%).

Verglichen mit dem Normalsommer 2019 stieg die Bedeutung inländischer Gäste 2020 um 11,8 Prozentpunkte auf 41,2% der Saisonnächtigungen. Unter den Auslandsmärkten blieb Deutschland mit 40,7% der Gesamtnachfrage weiterhin das wichtigste Herkunftsland, das Nächtigungsvolumen lag zudem nur rund ein Viertel (‑25,7%) unter dem Niveau von 2019. Aus anderen bedeutenden Quellmärkten wie den Niederlanden (Marktanteil 5,1%), der Schweiz (3,4%), Tschechien (1,6%) oder Belgien (1,3%) nächtigten von Mai bis Oktober 2020 um etwa 30% bis 40% weniger Gäste in Österreich. Deutlich massivere Einbußen gab es hingegen bei Reisenden aus bereits länger und stärker von der Krise betroffenen Ländern (Italien ‑64,8%, Frankreich ‑65,3%, Spanien ‑88,6%, USA ‑95,1%, Israel ‑98,0%).

Die von der COVID-19-Krise überschattete Sommersaison 2020 brachte nicht nur eine Verschiebung im Gäste-Mix mit sich, sondern veränderte auch das Reiseverhalten im Hinblick auf Häufigkeit und Dauer: Orts- und Unterkunftswechsel während derselben Reise nahmen merklich ab, sodass die Aufenthaltsdauer in heimischen Beherbergungsbetrieben im Durchschnitt auf 3,66 Nächte stieg (+18,7% gegenüber 2019). Ein ähnlich hoher Wert wurde zuletzt im Sommer 2007 erreicht. Das Ausbleiben der traditionell nur kurz verweilenden Fernreisenden begünstigte diese Entwicklung: Die Gäste aus dem Ausland verweilten insgesamt um knapp ein Drittel (+29,4%) länger in derselben Unterkunft (für 4,19 Nächte) als im Vergleichszeitraum 2019, bei inländischen Übernachtungsgästen betrug der Anstieg nur 12,0% (auf 3,11 Nächte).

Die nominellen Einnahmen im österreichischen Tourismus beliefen sich von Mai bis Oktober 2020 auf 10,10 Mrd. € und lagen damit um 30,5% unter dem bisherigen Höchstwert von 2019 (real ‑31,8%). Auf regionaler Ebene verzeichneten Kärnten, die Steiermark und das Burgenland dank der relativ gesehen besseren Entwicklung auf Seiten der dominierenden Gäste aus dem Inland die relativ geringsten Umsatzeinbußen (nominell ‑9,9% bis ‑12,4%). In Wien, Nieder- und Oberösterreich ging neben der internationalen Nachfrage auch jene der Binnenreisenden überproportional stark zurück, die touristischen Gesamteinnahmen brachen hier um 80,2% (Wien), 35,2% (Niederösterreich) bzw. 28,2% (Oberösterreich) ein. Der deutlich von Auslandsmärkten geprägte Tourismus in Tirol und Vorarlberg (über 83% der Gesamtnächtigungen) litt im Sommer 2020 relativ schwächer unter dem Ausbleiben dieses Gästesegmentes als im bundesweiten Schnitt (mit ‑33,3% bzw. ‑27,0% zu ‑43,2%), was die nominellen Einnahmenverluste insgesamt auf 28,4% (Tirol) bzw. 22,9% (Vorarlberg) begrenzte. Salzburg verlor in der Saison 2020 29,0% seines Sommerumsatzes.

Übersicht 1: Tourismusentwicklung in der laufenden Sommersaison – auf der WIFO-Website

Die Verunsicherung der Gäste in Bezug auf eine mögliche Ansteckung mit COVID-19 und die daraus resultierenden Folgen (Quarantäne usw.) beeinflusste im Sommer 2020 auch die Wahl der Unterkunftsart maßgeblich: So verlagerte sich die Nachfrage von der dominierenden Hotellerie (55,7% der Gesamtnächtigungen gegenüber 2019 mit 62,1%, ‑40,2%) deutlich zugunsten von Ferienwohnungen und ‑häusern (Marktanteil gewerblich und privat 22,8% bzw. +4,9 Prozentpunkte, Übernachtungen zusammen ‑13,3%). Dieser Beherbergungstyp erfreute sich bereits seit der Saison 2011 stetig wachsender Beliebtheit, infolge der COVID-19-Pandemie dürften jedoch insbesondere die Möglichkeit zur Selbstversorgung und die Distanz zu anderen Gästen die Wahl dieser Quartierform begünstigt haben. Deutlich geringere Nächtigungsverluste als im Durchschnitt aller Unterkünfte verzeichneten von Mai bis Oktober 2020 auch die weniger bedeutenden Privatquartiere (Marktanteil 4,5%, +0,7 Prozentpunkte; ‑20,0%). Die Nachfrage auf Campingplätzen sowie in Unterkünften für Kinder und Jugendliche, Kurheimen, bewirtschafteten Schutzhütten und sonstigen Quartieren schrumpfte im Mittel um 28,0%; das Gewicht dieser Beherbergungsarten belief sich im Sommer 2020 zusammen auf 17,0% (+0,9 Prozentpunkte).

Ausblick

Aufgrund der ab dem Spätherbst wieder deutlich gestiegenen Infektionszahlen in Europa und auf dem amerikanischen Kontinent riefen zahlreiche europäische Regierungen Ende Oktober bzw. Anfang November neben Reisewarnungen neuerlich Lockdowns aus. In Österreich wurden in zwei Schritten mit Ausnahme der Grundversorgung sämtliche Wirtschaftsbereiche – einschließlich der Bildungseinrichtungen – bis 6. Dezember gesperrt, danach erfolgte eine schrittweise Öffnung (Handel, Dienstleistungen). Die touristischen Kernbereiche, Beherbergung und Gastronomie, dürfen aus heutiger Sicht frühestens in der zweiten Jännerwoche wieder öffnen, die Seilbahngesellschaften starten am 24. Dezember ihren Betrieb, wobei das volle Angebot an Aufstiegshilfen nicht zur Verfügung stehen wird. Aktuell sind zahlreiche Reisewarnungen gegen Österreich aufrecht, darunter auch aus Deutschland, dem für den österreichischen Tourismus wichtigsten Auslandsmarkt. Ein Zeitpunkt für die Aufhebung dieser Reisewarnungen ist derzeit nicht absehbar, sie dürften wohl großteils über den Jahreswechsel hinaus in Kraft bleiben.

Auf Basis der bisherigen Nächtigungsentwicklung von Jänner bis Oktober (‑29,0%) und dem annähernden Totalausfall in den Lockdown-Monaten November und Dezember rechnet das WIFO für das gesamte Kalenderjahr 2020 österreichweit mit Nachfrageverlusten von rund 37% (‑56,1 Mio. Nächtigungen). Regional dürfte abermals Wien, mit Einbußen von rund drei Viertel des Nächtigungsvolumens von 2019, am stärksten betroffen sein, aber auch Nieder- und Oberösterreich büßten im Schnitt schätzungsweise 42% ein. Die Bundesländer mit gemischtem touristischem Angebot (Wellness, Kulinarik, Aktivsport) wie das Burgenland, die Steiermark oder Kärnten dürften 2020 vor allem aufgrund des dominierenden und deutlich schwächer rückläufigen inländischen Gästesegmentes die geringsten Nächtigungseinbußen verzeichnet haben (im Durchschnitt ‑23%). Binnenreisende stützten im Kalenderjahr 2020 das Gesamtergebnis insgesamt maßgeblich (‑24%, Nächtigungen ausländischer Gäste ‑41%).

Eine Einschätzung der Wintersaison 2020/21 ist mit wesentlich größerer Unsicherheit behaftet, da die weitere Entwicklung des Infektionsgeschehens weder für das Inland noch für die wichtigsten Auslandsmärkte vorherzusehen ist. Vor allem ein Ausbleiben der wichtigen deutschen Gäste zu Beginn des Jahres 2021 infolge einer weiterhin aufrechten Reisewarnung für Österreich hätte für die Bilanz des gesamten Winters 2020/21 erhebliche negative Auswirkungen.

In einem Szenario der Nächtigungsentwicklung für die gesamte Wintersaison 2020/21 (November 2020 bis April 2021) wird davon ausgegangen, dass in den Hauptmonaten Jänner und Februar 2021 alle aktuell bestehenden Reisewarnungen aufrecht bleiben und die Auslandsnachfrage damit fast vollständig zum Erliegen kommt. Erst in der Nachsaison (März und April) ist demnach mit einem relevanten Aufkommen ausländischer Gäste zu rechnen. Somit wäre der österreichische Tourismus in vier von sechs Monaten (November bis Februar) mit einem fast vollständigen Ausbleiben ausländischer Gäste konfrontiert. Nach einer Wiedereröffnung der Beherbergungsbetriebe in der zweiten Jännerwoche wird weiters angenommen, dass sich auch die Inlandsnachfrage nur zögerlich belebt – im Jänner wäre demnach ein Ausfall von fast drei Viertel der im Vorjahr erzielten inländischen Nächtigungen zu erwarten, im Februar ein Verlust von beinahe 50%.

Schätzungen des WIFO auf Basis dieser Annahmen ergeben einen Rückgang der Nächtigungen von insgesamt rund 70% im Vergleich zu der (pandemiebedingt bereits verkürzten) Wintersaison 2019/20 sowie von etwa 75% im Vergleich zum Winter 2018/19. Diesem Wert liegen ein Rückgang der von inländischen Gästen getätigten Nächtigungen von 44% sowie der ausländisch nachgefragten Nächtigungen von rund 78% zugrunde. Die Einnahmen der Tourismusunternehmen werden darüber hinaus auch durch erhebliche Rückgänge bei Tagesgästen vermindert.

Pressemitteilung von Statistik Austria (Hochrechnung zu Ankünften und Übernachtungen): http://www.statistik.at/web_de/presse/124839.html

Rückfragen & Kontakt:

Rückfragen bitte am Freitag, dem 11. Dezember 2020, von 13 bis 16 Uhr an Dr. Oliver Fritz, Tel. (1) 798 26 01 – 261, oliver.fritz@wifo.ac.at

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Quelle

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